Filmstandortförderung in Europa

 

Teresa Vena

Europa verfügt über viele Ressourcen, die es als Filmstandort auf internationalem Niveau wettbewerbsfähig machen können.

Um nach dem Zweiten Weltkrieg der Dominanz der US-amerikanischen Filme auf dem Markt zu begegnen und die Filmproduktion in Europa wieder anzukurbeln, richtete man öffentliche Förderprogramme ein. 1946 entstand in Frankreich das Centre national du cinéma et de l’image animée, kurz CNC, die anderen Länder folgten im Laufe der 1950er Jahre. Eigene Filmindustrien wuchsen heran. Noch heute spielt die staatliche Finanzierung eine wesentliche Rolle. Film hat man schon immer als hybrides Produkt zwischen Kunstanspruch und wirtschaftlicher Wertschöpfung angesehen. Ab einer gewissen Produktionsgrösse beteiligen sich an der Herstellung eines Films eine Vielzahl von Unternehmen und Dienstleistern, die ausserhalb des eigentlichen Filmsektors angesiedelt sind. Studien, die die Wertschöpfung der audiovisuellen Produktion untersuchen, bestätigen, dass jeder in den Film investierte Euro oder Franken mindestens in einem Verhältnis von 1:1,5 in die Wirtschaft reinvestiert wird. Sind entsprechende Anreizmodelle vorhanden, kann dieser Wert auf 1:3 oder sogar 1:4 ansteigen. Dieses Potenzial erkennen die meisten Länder an und teilen ihre zugesprochenen Mittel sowohl aus der Kultur- als auch aus der Wirtschaftsförderung zu.

Finanzielle Anreizsysteme
Eigene Produktionen im Land zu halten und ausländische anzuziehen, setzt voraus, dass günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Verbreitet ist die Gewährung von finanziellen Zuschüssen in Form von steuerlichen Vergünstigungen («Cash Rebate» und «Tax Shelter») oder direkten Subventionen. Diese Art der Filmstandortförderung wurde in den meisten Ländern Europas im Laufe der 2010er Jahren eingeführt. Es ist eine gewisse Wettbewerbssituation entstanden mit dem Resultat, dass die Zuschüsse zwischen 20 und 70 Prozent der im jeweiligen Land anfallenden Produktionskosten betragen können. Die höchsten Prozentsätze im Rahmen dieses Fördermodells bietet Spanien. Dreht man auf den kanarischen Inseln, bekommt man bis zur Hälfte der dort entstanden Kosten zurück. Entscheidet man sich für das Baskenland als Drehort sind es bis zu 70 Prozent. Je intensiver sich die Produktion mit der Region selbst auseinandersetzt, also beispielsweise, indem lokale Talente und Fachleute eingebunden sind oder die Filmsprache Baskisch ist, desto höher fallen die Zuschüsse aus. In Deutschland hat sich dieses Verfahren, Produktionen durch das Angebot finanzieller Unterstützung in verschiedene Landesteile zu locken, schon lange etabliert. Man erhofft sich davon eine kulturelle wie wirtschaftliche Aufwertung dieser Regionen. Das Drehen ausserhalb der Ballungsräume bietet zudem verschiedene Effizienzvorteile und Anregung für neue Stoffe.

Wahl des Standortes
Nach der Einführung des beschriebenen Anreizsystems verbuchten die Länder einen Anstieg der Steuereinnahmen im Zusammenhang mit Filmwirtschaft von 20 bis 25 Prozent und konnten ein eindeutiges Wachstum der ganzen Branche verzeichnen. In Ungarn beispielsweise, wo ausländischen Produktionen bis zu 30 Prozent der Kosten erstattet werden können, waren es 18 Prozent. Innerhalb kürzester Zeit sind hier grosse Film- und Serienprojekte entstanden. Die Nachfrage ist so gross, dass das Land mit Origo, Korda und NFI mehrere Studios unterhält. Ähnliches kann man in Serbien beobachten, das die Firefly-Studios aufgebaut hat, die zu den modernsten in Osteuropa zählen und für Produktionen aus den USA, Grossbritannien und anderen Teilen Europas auf über ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht sind. Die Wahl des Drehorts hängt natürlich in der Regel von dem zu inszenierenden Stoff ab, doch können solche finanzielle Anreize viel Gewicht haben. So kann ein höheres Lohnniveau im eigenen Land mit der Verlegung des Produktionsstandortes ausgeglichen werden. Abgesehen davon, dass innerhalb Europas viele Städte für ähnliche prominentere Städte, also Vilnius beispielsweise filmisch als Paris, Berlin, London oder Washington durchgehen kann, Regionen für andere Regionen, Apulien für Afrika oder den Mittleren Osten und Malta für Israel oder Italien, lassen sich Studioaufnahmen gänzlich flexibel handhaben.

Ressourcen stärken
Um der Abwanderung der eigenen Produktion entgegenzuwirken, braucht es neben finanziellen Anreizen auch ein filmfreundliches institutionelles Umfeld. Investitionen ins Ausbildungs- und Weiterbildungswesen tragen dazu bei, dass Fachleute nachkommen und konkurrenzfähig sind. Die Gewährung von Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern und Sozialklassen sowie Raum für Innovationen und Forschung fördern im Idealfall ein schwungvolles Arbeitsklima. Um eine langfristig erfolgreiche Produktionslandschaft aufzubauen, müssen diese Elemente in einer Gesamtstrategie zusammenspielen. Das Anlocken ausländischer Produktionen kann bei dieser Entwicklung behilflich sein. Wächst das Produktionsvolumen an, steigt die Auslastung der vorhandenen Infrastruktur. Da in der Regel immer ein lokaler Produzent auch an der ausländischen Produktion beteiligt sein muss, die sich für die finanziellen Anreize bewirbt, fördert das System zwangsläufig den professionellen Austausch. Dank der auf europäischer Ebene weit verbreiteten und bewährten Praxis der Koproduktion können Wissen und Erfahrung ausgetauscht werden, was für alle Seiten von Vorteil ist. Diese Mobilität macht Europa als Ganzes langfristig zu einem attraktiven Filmstandort. Staatliche Anreizsysteme und Promotionsarbeit von parastaatlicher Seite wie den Filmkommissionen sorgen für die Sichtbarkeit unterschiedlicher Regionen und Länder. Auf lange Sicht gleichen sich die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Ländern immer mehr an. So wird die Entscheidung für einen Produktionsstandort neben den finanziellen Anreizen in Zukunft von weiteren Eigenschaften abhängen: zum Beispiel der Expertise im Bereich des Animationsfilms wie zurzeit in Frankreich, die Einführung von Standards bei einer ökologisch nachhaltigen Herstellung wie in Italien oder Deutschland oder der Ausbau von virtueller Produktion wie in den Niederlanden.

Image: SRF/Pascal Mora